Mecklenburg-Vorpommern Wahl: der general Trend mit einer beunruhigenden Überraschung

Dieter Roth

University of Heidelberg

Professor Dr. Dieter Roth is a Professor at the Institute of Political Science at the Universität Heidelberg.

Jede Wahl in Deutschland hat ihren Reiz (nicht nur für Wahlforscher) und die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern war natürlich eine wichtige Abstimmung der Bürger über ihre Landesregierung und das dortige politische Personal. Aber es ist sehr schwierig, gute Gründe dafür zu finden, warum die Ergebnisse dieser Wahl für die anstehenden wichtigen Entscheidungen auf Bundesebene im Hinblick auf die Finanz- und Europakrise einen Einfluss haben sollten.

Mecklenburg-Vorpommern ist ein kleines Land (weniger als 2 Millionen Einwohner) an der nordöstlichen Peripherie Deutschlands, ohne ökonomisches oder strategisches Gewicht. Die Wahl am Sonntag war die sechste Landtagswahl dieses Jahres und die Vorwahl-Befragungen zeigten, dass die CDU-FDP Bundesregierung in Berlin bei dieser Wahl keinerlei Lorbeeren gewinnen konnte. Im Gegenteil – es war bereits vor der Wahl sehr deutlich, dass es keinen Umschwung geben würde, sondern sich der Trend der Wahlen dieses Jahres fortsetzen würde. Und dieser Trend ist ein Trend gegen die regierenden Parteien in Berlin.

Es war also keine Überraschung, dass die CDU viele Wähler verlor (-5,7%) und die FDP nicht über die Fünfprozent-Hürde kam (2,7%), dass die Sozialdemokraten stärkste Partei wurden (35,7%) und jetzt ihren Koalitionspartner frei wählen können und schließlich die Grünen zum ersten Mal ins Parlament in Schwerin einziehen und damit in allen Bundesländern parlamentarisch vertreten sind. Lediglich die Stärke der Unterstützung für die rechtsradikale NPD war eine offene Frage. Sie hat es letztlich über die Fünfprozent-Hürde geschafft (6%), und das auch, weil die Wahlbeteiligung äußerst gering war (52,8%), was kleinen Parteien mit überzeugter Anhängerschaft immer hilft.

Diese Ergebnisse beruhen –wie immer- auf einer Vielfalt lokaler, regionaler und auch bundesweiter Ursachen, wichtigen nicht gelösten politischen Problemen auf diesen Ebenen und natürlich auch Einflüssen von Personen, wobei letzteres in Deutschland nicht überbewertet werden sollte. Der Ministerpräsident des Landes Erwin Sellering, ein sogenannter „West-Import“, hat vor drei Jahren das Amt von Harald Ringsdorff übernommen, der vorher zehn Jahre dieses Land geführt hatte. Sellering hat sich eine hohe Reputation erworben, sogar höher als die seines Vorgängers und nicht weniger als 64% der Mecklenburg-Vorpommern wollen ihn auch als ihren nächsten Ministerpräsidenten. Er wird über alle Parteilinien akzeptiert und sein Image als Landesvater hatte sicherlich einen großen Einfluss bei dieser Wahl. Seine Wichtigkeit ist allerdings auf sein Bundesland beschränkt.

In Deutschland gibt es nur wenige über ihre Landesgrenzen hinaus bedeutende Landespolitiker aber sicherlich niemand davon in Mecklenburg-Vorpommern. Auch die Tatsache, dass Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin, aus diesem Bundesland kommt, hat weder ihr noch den Christdemokraten geholfen etwas gegen den generellen Trend zu erreichen.

59 % der Wähler sagten in einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen die Landespolitik hätte ihre Wahlentscheidung hauptsächlich beeinflusst, nur 36 % sagten dies von der Bundespolitik. Mit anderen Worten: dies war eine wirkliche Landtagswahl. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Ergebnisse der Wahl als Fingerzeig der Wähler für die zukünftigen Entscheidungen auf Bundesebene zu werten sind. Auch wenn man die möglichen Veränderungen im Bundesrat durch eine andere Koalition als bisher, nämlich Rot-Rot, berücksichtigen will, das Ergebnis ist keine wirkliche Machtveränderung auf dieser wichtigen Ebene für die Gesetzgebung. Aber es gibt ein Thema bei dieser Wahl von durchaus übernationaler Wichtigkeit und das ist die Unterstützung der rechtsradikalen NPD durch Wähler in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Partei hat zwar im Vergleich zu 2006 Wähler verloren aber sie ist nach wie vor in sichtbarer Größe (5 Sitze) im Parlament vertreten. Auch jetzt erreicht die Partei zweistellige Ergebnisse bei den jungen Wählern unter 30 Jahre und besonders viele bei jungen männlichen Wählern mit niedriger Bildungsstandart. Aber sie wird auch von anderen Wählern mit geringem Sozialstatus in verschiedenen Regionen des Landes unterstützt. Dort ist die NPD nicht nur stark sondern geriert sich des Öfteren als Verteidiger von sozialer Gerechtigkeit für die Unterprivilegierten. Obwohl alle anderen Parteien in der letzten Legislaturperiode sich im Landesparlament in eine klare und oft gemeinsame Position gegenüber den Rechten bewegt haben, sich mit politischen Argumenten gegen die Partei gewandt haben und nicht mit Hilfe von Debattenausschluss oder taktischen Manövern, findet die Partei immer noch Resonanz in Teilen der Bevölkerung, was nicht übersehen werden sollte. Eine große Mehrheit bei den Wählern hat in einer Umfrage vor der Wahl ihre Hoffnung ausgedrückt, dass die NPD nicht in den Landtag einziehen werde, aber auch jeder sechste Wahlberechtigte sagte, dass es ihm egal sei, ob die Partei ins Parlament käme und jeder Dritte stimmte einer Aussage zu, nach dem die NPD „das ausspricht, was viele Leute denken“.

Es gibt auch rechtsextreme populistische Bewegungen in anderen europäischen Staaten mit mehr oder weniger demselben politischen Programm, wenn sie überhaupt eines haben. Aber mit unserem geschichtlichen Hintergrund ist es schwer für demokratisch denkende Menschen, eine Repräsentation der NPD in einem Landesparlament zu akzeptieren. Deshalb ist dieses Ergebnis sehr unschön.

Wie bereits ausgeführt: die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern war nicht der Lackmus Test für Angela Merkel und die regierenden Parteien in Berlin, weil das Ergebnis nur das zeigt, was man bereits wusste. Die Auswirkungen auf die politischen Entscheidungen in den nächsten Wochen werden gering sein, aber sicherlich haben die Ergebnisse der Bundesregierung nicht geholfen.


Dieter Roth is on the board of directors for the Institut für Wahlanalysen und Gesellschaftsbeobachtung in Mannheim and is a frequent contributor to AGI events and publications.

This essay appeared in the September 8, 2011 AGI Advisor.

The views expressed are those of the author(s) alone. They do not necessarily reflect the views of the American-German Institute.